FAQ: Aktueller Wissensstand zum Coronavirus
Bis jetzt kannte man beim Menschen sechs verschiedene Coronaviren, dieses Coronavirus ist jetzt das siebte. Sie alle lösen – in unterschiedlichen Schweregraden – Erkrankungen der Atemwege aus. In Deutschland gibt es seit Langem eine Reihe von Coronaviren, die Erkältungserkrankungen verursachen. Im Großen und Ganzen sind dies keine schlimmen Erkrankungen. Allerdings gibt oder gab es in anderen Ländern zwei Coronaviren, vor denen man mehr Respekt haben muss oder musste: vor SARS und MERS. Das SARS-Virus wurde im Jahr 2002 das erste Mal beobachtet und es ist seit 2003 nicht mehr aufgetreten. Es war ursprünglich wahrscheinlich aus Fledermäusen über einen Zwischenwirt in den Menschen gekommen und hat dann sehr schwere Atemwegserkrankungen mit einer recht hohen Todesrate ausgelöst. Dieses Virus war auch sehr ansteckend und hat sich deshalb innerhalb von ein paar Wochen weltweit verbreitet. Das andere Coronavirus, vor dem man mehr Respekt haben muss, ist das MERS-Coronavirus. MERS wurde im Jahr 2012 erstmals bei Patienten auf der arabischen Halbinsel nachgewiesen. Es kann von Mensch zu Mensch übertragen werden, die Übertragung von Dromedaren zum Menschen spielt eine große Rolle. Es verursacht auch schwere Lungenerkrankungen, ist aber nicht ganz so ansteckend wie SARS.
Das jetzt in China zum ersten Mal aufgetretene neue Coronavirus ist dem SARS Virus aus 2003 recht eng verwandt und wird deshalb jetzt als SARS-CoV-2 bezeichnet.
Seine Sequenz ist sehr ähnlich der Sequenz von Coronaviren, die bei bestimmten in China vorkommenden Fledermäusen und im Schuppentier gefunden wurden. Wir gehen deshalb davon aus, dass SARS-CoV-2 ursprünglich von diesen Fledermäusen stammt und möglicherweise auf dem Umweg über das Schuppentier auf den Menschen übertragen wurde.
Zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 waren die aufgrund des neuartigen Coronavirus gemeldeten Erkrankungs- und Todesfälle zunächst schnell angestiegen und die Meldungen kamen aus unterschiedlichen Regionen: Während die meisten Fälle zunächst aus China, gefolgt von Japan und Korea, gemeldet wurden, sind daraufhin größere Ausbrüche in Norditalien, dem Iran und den USA sowie Großbritannien zu verzeichnen gewesen. Auch in Deutschland stiegen die Fallzahlen initial sehr schnell an. Während der Sommermonate 2020 war das Virus in den meisten europäischen Ländern mehr oder weniger unter Kontrolle und breitete sich nur auf niedrigem Niveau aus. Die Infektionszahlen in Nord- und Südamerika, in Afrika und auf dem indischen Subkontinent nahmen derweil rasant zu. Ab dem Spätsommer beschleunigte sich in Deutschland der Anstieg der Übertragungen. Seit Jahresbeginn 2021 kam es vermehrt zu Ansteckungen mit Varianten des ursprünglichen Virus. Diese Mutationen schienen deutlich schneller übertragbar zu sein. Nach einem Anstieg der Neuinfektionszahlen in Deutschland im Frühjahr gingen die Fallzahlen zum Sommer deutlich zurück. Dann stiegen die Zahlen wieder an bis sie im Frühherbst zunächst stagnierten und dann in einem bisher beispiellosen Tempo in die Höhe schnellten. Von Anfang Dezember bis zum Jahresende 2021 ging die Inzidenz leicht zurück. Mit der Verbreitung der neuen Variante Omikron nahmen die Infektionszahlen seit Anfang Januar 2022 wieder rasant zu. Mitte Februar verkündete die Bundesregierung den Höhepunkt der fünften Welle und einigte sich zusammen mit den Bundesländern auf einen schrittweisen Öffnungsplan. Seit Ende März 2022 gingen die Infektionszahlen stark zurück. Anfang Juni stiegen die Zahlen wieder an. Die Omikron Sublinie BA.5 hat mittlerweile alle anderen Varianten nahezu vollständig verdrängt. Im Winter 2022/2023 machen den Menschen in allen Altersgruppen allerdings verstärkt andere Viren wie Influenza und RS zu schafffen und sorgen für eine überdurchschnittlich hohe Zahl an akuten Atemwegserkrankungen.
- Die tagesaktuellen Zahlen finden Sie beim Robert-Koch-Institut (RKI)
- In aktuellen Zahlen für Niedersachsen finden Sie hier auf den Seiten der Landesregierung.
- Zum weltweiten Geschehen verweisen wir auf die Zahlen von der WHO.
Von schweren Krankheitsverlaufen sind nach wie vor am meisten ungeimpfte Menschen in höheren Altersgruppen und Menschen mit vorbestehenden Erkrankungen, die das Immunsystem schwächen, betroffen. Die Hospitalisierung ist bei den über 60-jährigen genauso wie in der Altersgruppe ab 80 Jahren mit Abstand am höchsten.
Bereits ab dem vollendeten 3. Monat nach Abschluss der Grundimmunisierung kann die Auffrischungsimpfung verabreicht werden. Dies ist nichts Überraschendes, auch manche anderen Impfstoffe müssen dreimal appliziert werden, um einen guten Schutz zu erreichen.
Nach gegenwärtiger STIKO Empfehlung wird die Auffrischungsimpfung für alle empfohlen, ältere oder vorerkrankte Personen sollen jedoch bei den Auffrischimpfungen unbedingt bevorzugt berücksichtigt werden. Hinzu kommen Menschen, die mit dem Johnson & Johnson (Janssen) Impfstoff geimpft wurden, der nur einmal gegeben wird.
Bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren empfiehlt die STIKO die Auffrischimpfung in einem Zeitfenster von 3 bis 6 Monaten nach der Grundimmunisierung. Kinder und Jugendliche mit Vorerkrankungen sollen möglichst frühzeitig eine Auffrischimpfung erhalten.
Es sollte ein mRNA-Impfstoff für die Auffrischung verwandt werden. Beide mRNA-Impfstoffe (Comirnaty und Spikevax) sind hinsichtlich ihrer Wirksamkeit völlig gleichwertig und für die Auffrischungsimpfung zugelassen.
Das Coronavirus kann per Tröpfchenübertragung und auch durch Aerosole von Person zu Person übertragen werden – ähnlich wie andere Viren, die Atemwegserkrankungen auslösen. Man muss also keinen ganz engen Kontakt mit der infizierten Person haben, aber einigermaßen nah dran sein. Während Tröpfchen, die sich in der Atemluft finden oder z.B. beim Husten ausgestoßen werden, relativ schnell zu Boden fallen, können sich virus-haltige Aerosole länger in der Luft halten und auch über mehrere Meter verbreitet werden. Die Abstandsregel von 1.50 m schützt also ziemlich gut gegen eine durch Tröpfchen übertragene Infektion, nicht unbedingt gegen Aerosole. Die Empfehlung oder Vorschrift, in geschlossenen Räumen einen Mund-Nasenschutz zu tragen, soll in erster Linie dafür sorgen, dass infizierte Personen keine Tröpfchen oder Aerosole in ihrer Umgebung verteilen oder dies zumindest reduzieren. Wahrscheinlich bietet das Tragen eines Mund-Nasenschutzes aber auch dem nicht infizierten Träger einen gewissen Schutz, infizierte Tröpfchen einzuatmen.
Man nimmt ebenfalls an, dass das Virus durch Kontakt über Hände, gefolgt von Berührung der Nase, des Munds oder den Augen durch kontaminierte Hände, übertragen werden kann.
Es ist inzwischen gut etabliert, dass Menschen, die noch keine Symptome haben, das Virus übertragen können. Das begünstigt die Ausbreitung. Wir gehen davon aus, dass mit dem Virus Infizierte ca. 1-2 Tage vor Auftreten von klinischen Symptomen das Virus bereits auf andere übertragen können. Wenn keine einschränkenden Maßnahmen getroffen werden (Tragen eines Mund-Nasenschutzes, Abstandhalten, Aufspüren von infizierten Personen, Quarantäne, etc.), infiziert im Durchschnitt jede Person, die das Virus ausscheidet, zwei bis drei andere Kontaktpersonen – dadurch hat das Virus das Potential, sich sehr schnell auszubreiten.
Der wichtigste Übertragungsweg ist die Tröpfcheninfektion. Das sind die unsichtbaren, aber noch inhalierbaren Tröpfchen, die nach etwa 1,5 Metern auf den Boden fallen. Deshalb ist die Abstandsregel so nötig. Es ist aber auch als Kontaktinfektion möglich und damit ist der direkte Kontakt gemeint - beim Händegeben oder Umarmen zum Beispiel. Dabei ist das Infektionsrisiko aber geringer als beim Inhalieren der Tröpfchen. Beim Einatmen kommt das Virus am Schnellsten dorthin, wo es hin will.
Zuletzt konnte auf Kunststoff- und Edelstahlflächen das Virus auch nach mehr als einer Woche zwar nicht lebensfähig, aber zumindest vermehrungsfähig nachgewiesen werden. Das gilt allerdings nur bei bestimmten Bedingungen: Dunkelheit und Feuchtigkeit. Natürlich ist es möglich, sich über diese indirekten Kontakte anzustecken - es ist aber ein vergleichsweise sehr geringes Risiko. Hände waschen und Oberflächen abwischen reicht, denn das Virus ist extrem leicht denaturierbar bzw. inaktivierbar, verliert also schnell seine biologischen Funktionen.
Zu den Risikofaktoren gehören ein Alter ab 65 Jahren und Vorerkrankungen der Atemwege, der Leber, der Niere und des Herz-Kreislauf-Systems (z.B. Bluthochdruck), Diabetes, Übergewicht, Rauchen, ein geschwächtes Immunsystem und Krebserkrankungen. Menschen im mittleren Lebensalter können auch, aber seltener, schwer erkranken. Junge Menschen erkranken in der großen Mehrzahl der Fälle nur leicht, es gibt aber leider Ausnahmen, bei denen auch junge Menschen gestorben sind.
Wir stehen vor einem Virus, das derzeit nicht behandelbar ist. Es gibt zwar bereits Überlegungen und Anstrengungen zu möglichen Impfstrategien. Das wird aber nur denjenigen helfen, die noch nicht infiziert sind. Das heißt, die Behandlung beschränkt sich darauf, die Symptome zu lindern, also starke fieberhafte Reaktionen mit fiebersenkenden Medikamenten zu dämpfen, den Kreislauf unterstützen und wenn das Atmen schwer fällt, gibt man Sauerstoff.
In schlimmen Fällen werden die Patientinnen und Patienten an ein Beatmungsgerät angeschlossen, das heißt, sie kommen im Krankenhaus auf die Intensivstation. Und dann müssen sie häufig sehr lange, d.h. drei bis vier Wochen, dort behandelt werden.
Von den derzeit in der öffentlichen Diskussion kursierenden Medikamenten etwa gegen Malaria, HIV oder Ebola, setzt die MHH keines ein. Diese sind zwar alle potentiell wirksam. Aber das Problem ist, es gibt zu allen diesen Medikamenten bei Covid-19-Patienten keine verlässlichen Daten zu Wirkung und Nebenwirkungen.
Die große Herausforderung für Ärzte und Pflegepersonal ist, dass diese Erkrankung anders ist, als die die man bislang kannte. Der Krankheitsverlauf ist äußerst schwer vorhersehbar und verläuft oft wellenförmig - d.h. der Patientin oder dem Patienten geht es gut und dann verschlechtert sich der Zustand wieder aus den unterschiedlichsten Gründen.
Wir unterscheiden diagnostische Tests von Tests, die aussagen, ob man die Erkrankung durchlebt hat. Der klassische diagnostische Test ist der auf sogenannter PCR-Basis (Polymerasen-Kettenreaktion), bei dem wir nachweisen können, ob Virus im Nasenabstrich oder im tiefen Atemwegsabstrich vorhanden ist. Die Besonderheit der COVID-19-Erkrankung ist, dass man nach der Infektion erst am vierten oder fünften Tag symptomatisch wird. Der Test selbst wird in der Regel nicht früher als einen Tag vor den ersten Symptomen positiv. Das bedeutet, man kann infiziert sein und der Test ist trotzdem drei bis fünf Tage negativ.
Jede Strategie, mit Einzel-Testverfahren die Infektionsausbreitung unter Kontrolle zu bringen, ist daher nicht sehr erfolgversprechend.
Die Antikörpertestung ist dazu da, zu erkennen, ob man die Erkrankung durchlebt hat. Auch hier gibt es bei COVID-19 eine Besonderheit. Die Antikörper steigen erst sehr spät nach dem Überwinden der Erkrankung an - und sie steigen umso langsamer und schwächer an, je schwächer die Erkrankung war. Bei Patientinnen und Patienten mit milder und moderater Erkrankung findet man also wesentlich weniger Antikörper als bei Patientinnen und Patienten mit schwerer Erkrankung.
Wir haben zudem das Problem, dass wir immer noch nicht wissen, ob die Antikörpertests spezifisch genug für das SARS-CoV-2-Virus sind. Es kann sein, dass andere harmlosere Coronaviren, die wir seit vielen Jahren kennen und die jeden Herbst auftreten und oft einen Schnupfen hervorrufen, mit diesen Antikörpertests kreuz reagieren. Dadurch würde ein positver Antikörpertest nicht zeigen, dass man COVID-19 durchlebt hat, sondern dass man irgendeine mit Corona verbundene Erkrankung durchlebt hat.
Viele universitären Einrichtungen - darunter auch die MHH - arbeiten daran, einen zuverlässigeren Antikörpertest zu entwickeln. Aktuell sind die Tests aber ein reiner Gegenstand der Forschung. Für Aussagen wie "Ich war erkrankt und kann mich deshalb ungeschützt bewegen" sind sie nicht geeignet.
Welche Beschwerden haben die Betroffenen und wie können diese behandelt werden? Prof. Dr. Tobias Welte, Pneumologe und kommissarischer Vizepräsident der MHH, klärt in unserem Interview über den Stand in Sachen Langzeitfolgen von COVID-19-Erkrankungen auf.
Die Grundlage für die kürzlich in vielen Ländern verfügten Maßnahmen zur Einschränkung des Kontakts zwischen Menschen stellen Rechenmodelle dar, mit denen versucht wird, den Verlauf der Epidemie in einem Land vorherzusagen. Diese sehr plausiblen Modelle besagen, dass wir, wenn wir jetzt nichts tun und den Ausbruch einfach "laufen lassen", bei einer Bevölkerungszahl wie in Deutschland mit mehr als einer halben Million Toten rechnen müssten. Die Dramatik dieses Szenarios wird noch dadurch verstärkt, dass die Mehrzahl dieser Todesfälle in einem relativ engen Zeitraum von wenigen Monaten auftreten würde. Man kann sich vorstellen, dass unser Gesundheitssystem damit vollständig überfordert wäre. Dass dies nicht so ganz unrealistisch ist, hat die Situation in Italien oder auch New York gezeigt. Diese Dramatik geht wesentlich auf drei Faktoren zurück:
1. Das neue Coronavirus, SARS-CoV-2, trifft auf eine Bevölkerung, die noch keine Immunität gegen dieses Virus erworben hat - es kann sich also ungehindert ausbreiten. Dies ist beim Influenzavirus anders, da - zumindest bei der saisonalen, jeden Winter kommenden, Influenza - viele Leute zumindest eine Teilimmunität haben.
2. Das neue Coronavirus ist sehr ansteckend: Ohne Maßnahmen zur Kontaktreduzierung steckt ein Infizierter im Durchschnitt wahrscheinlich 2 bis 3 Kontaktpersonen an, am Anfang der Pandemie in Wuhan lag diese Zahl sogar noch höher. Diese Zahl ist deutlich höher als bei der jeden Winter wiederkommenden saisonalen Influenza. Bei solchen Zahlen kann man sich vorstellen, wie schnell ein Ausbruch explodiert: Aus einem Infizierten werden drei, dann neun, dann siebenundzwanzig, usw.
3. Ein Befallener kann schon 1 bis 2 Tage vor Auftreten der Symptome, also zu einem Zeitpunkt wo man noch nicht weiß, dass man infiziert ist, das Virus an andere weitergeben. Das erschwert die Eindämmung der Epidemie: Wenn man nur Personen mit Symptomen isoliert, bleiben noch solche ohne Krankheitszeichen, die das Virus weitergeben können.